Wermut

Wissenschaftlicher Name: Artemisia absinthium
Pharmazeutischer Name: Absinthi herba
Synonyme: Absinth, Bitterer Beifuß, Bitterals, Gottvergesse, Hilligbitter, Mottenstock
Familie: Asteraceae (Korbblütler)

Heimat & Botanik

Wermut ist ein Kraut, das bis zu eineinhalb Meter hoch wächst. Er gedeiht in Eurasien in gemäßigten Zonen. Sein Wurzelstock (Rhizom) breitet sich waagrecht aus und bildet immer wieder neue Sprossen, die am Grund verholzen. Seine zwei- bis dreilappigen, gefiederten Blätter gliedern sich in vier bis zwölf Zentimeter lange Blattstiel und die acht bis fünfzehn Zentimeter lange Blattspreite. Ihr Rand ist wellenförmig und eingeschnitten. Sowohl die Blattoberseite als auch die Unterseite sind stark behaart, so dass die Blätter gräulich-weiß schimmern. Kleine, kugelige, gelbe Blütenkörbe hängen in Rispen zusammenstehend von Juli bis September von den Ästen herab.

Der Name Wermut hat einen westgermanischen Ursprung von unbekannter Bedeutung. Der botanische Name "Artemisia" bezieht sich auf die Jagdgöttin Artemis. Absinth stammt aus dem Griechischen und bedeutet ohne Süße oder untrinkbar.

Eigenschaften & Geschmack

Eigenschaften

  • leicht warm
  • sehr trocken

Geschmack

  • aromatisch
  • bitter
  • leicht scharf
  • leicht adstringierend

Die Wirkung des Geschmacks wird in den Theoretischen Grundlagen erläutert.

Wirkungen & Indikationen in der chinesischen Medizin

Tropismus: Milz, Magen, Leber, Gallenblase, Darm

Wermut schmeckt sowohl bitter als auch aromatisch-scharf und leicht adstringierend. Für den bitteren Geschmack sind unter anderem Sesquiterpenlactone, Flavonoide und Cumarine verantwortlich. Dieser bittere Geschmack wirkt im Mund spürbar trocknend. Doch ein bitterer Geschmack alleine hat keinen anhaltenden trocknenden Effekt. Hierzu sind jedoch Gerbstoffe in der Lage, die wie die Phenolcarbonsäuren adstringierend wirken. Aromatisch-scharf schmecken dagegen die ätherischen Öle. 

Die ätherischen Öle mit ihrem aromatisch-scharfen Geschmack bewegen das Leben-Qi und regulieren das Qi in der Mitte. Daher hat Wermut einen positiven Einfluss auf die Verdauungsorgane. Gerbstoffe trocknen und beseitigen Nässe aus dem mittleren Erwärmer. Bitterstoffe zusammen mit den Gerbstoffen können zudem feuchte Hitze eliminieren. Wenn Nässe zu einer Stagnation des Leber-Qis geführt hat und die Mitte blockiert, kann Wermut dazu beitragen, dass die Achse zwischen Holz und Erde wieder in ein harmonisches Gleichgewicht kommt. Der bittere Geschmack sorgt dabei für eine absenkende Wirkung, weshalb Wermut unterstützend bei Obstipation durch Darmträgheit oder bei Migräne eingesetzt werden kann, um das Qi nach unten zu führen. Doch sollte keine Yin-Leere bestehen, denn Wermut trocknet stark.

Aromatisches, Nässe eliminierendes Kraut

  • Fettunverträglichkeit, Gallensteine, breiige Stühle, Dyspepsie, Blähungen, Krämpfe, dumpfe Kopfschmerzen im ganzen Kopf oder an der Stirn mit dem Gefühl wie in Watte gepackt zu sein und schlüpfigem Puls

Hitze kühlendes Kraut

Nässe trocknendes Kraut

  • Hepatitis, faulig stinkende Diarrhö, Morbus Crohn, Cystitis, Fluor vaginalis, Mykosen

Abführendes Kraut

Obstipation durch Leber-Qi-Stagnation lösendes Kraut

  • Atonie der Verdauungsorgane, Obstipation

Qi bewegendes Kraut

Leber-Qi bewegendes Kraut

  • Dyskinesie der Gallenwege, Spannung unter rechtem Rippenbogen, Flankenschmerzen, Blähungen, Krämpfe, Morbus Crohn, Wechsel von Obstipation und Diarrhö, Dysmenorrhö, unregelmäßige Menstruation, PMS mit Melancholie und Reizbarkeit
  • Migräne und konstante Kopfschmerzen im Bereich von Stirn und Schläfen mit gespanntem Puls

Mitte regulierendes Kraut

  • absenkendes, bitteres Kraut
    Appetitlosigkeit, Übelkeit, Aufstoßen, Völlegefühl, Nahrungsmittelstagnation, Mundgeruch, subazide Gastritis, Dyspepsie, Kopfschmerzen im Zusammenhang mit der Nahrungsaufnahme

Parasiten austreibendes Kraut

  • Spulwürmer wie Askariden, Faenwürmer wie Trichinen

Ausführlich werden die Kategorien unter Kategorien & Rezepturen vorgestellt. Dort werden auch weitere Pflanzen gelistet, die wir der jeweiligen Kategorie zugeordnet haben.

Anwendung

Infus

  • max. 1 TL pro Tasse (1 TL= ca. 1,5 g)
  • 15 min abgedeckt ziehen lassen
  • 3 x tgl. 1 Tasse 30 Min. a.c., bei Gallenfunktionsstörung p. c.
  • Tagesdosis: 2-3 g Droge im Tee, max. 3 mg Thujon
  • Insbesondere als Monodroge nicht länger als 2 Wochen anwenden!

Presssaft

  • 2 x täglich 5 ml mit etwas Wasser oder unverdünnt 30 Minuten vor dem Essen 

Tinktur

  • 3 x täglich 1 g 30 Min. a. c.

Wir setzten Heilpflanzen in der Regel nicht als Einzeldroge, sondern gemeinsam mit anderen Heilpflanzen ein; wie wir sie kombinieren, ist im Abschnitt “Rezepturenlehre” erläutert. Informationen zu den verschiedenen Darreichungsformen sind in der Rubrik "Theoretische Grundlagen" hinterlegt. 

Nebenwirkungen

  • Unverträglichkeitsreaktionen
  • insbesondere bei Tinkturen und höherer Konzentration de Monodroge oder in Teemischungen
    • Erbrechen, Magen-Darm-Krämpfe
    • Harnverhalt
    • Benommenheit
    • Nierenschäden
    • Störungen des zentralen Nervensystems mit epilepsie-ähnlichen Krämpfen
    • Veränderungen der Psyche

Die Nebenwirkungen sind z. T. bedingt durch den Gehalt an Thujon. Alkoholische Getränke, die aus Wermut hergestellt wurden - wie z. B. Absinth-Schnäpse - verursachten deshalb früher Schäden in Gastrointestinaltrakt und Nervensystem. Weiterhin lösten sie psychische Erkrankungen aus, die zum Suizid führen konnten. Daher wurde für Absinth-Getränke ein Grenzwert für den Gehalt an Thujon von maximal 35 mg pro Liter festgelegt. 

Vorsicht

Bisher fehlen Erkenntnisse und Daten zur Sicherheit der Anwendung in Schwangerschaft und Stillzeit sowie bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren. 

Kontraindikationen

  • bekannte Allergie gegen Korbblütler
  • Daueranwendung

Mögliche Wechselwirkungen mit Arzneistoffen

Unter Umständen kann sich die Blutungszeit bei gemeinsamer Anwendung mit Gerinnungshemmern verlängern. Patienten sollten sich daher vor einer gemeinsamen Anwendung bei ihrer behandelnden Ärztin bzw. ihrem behandelnden Arzt beraten lassen, um Nutzen und Risiken abzuwägen. 

Pflanzenstoffe

Bitterstoffe 0,15 – 0,4 %

  • Bitterwert 50.000 – 70.000
  • Sesquiterpenlactone wie Absinthin, Isoabsinthin, Absintholid, Artenolid

Ätherische Öle 0,2 – 1,5 %

  • Monoterpene wie Thujon, Thujan, Linalool, Cineol, α-Bisbolol, β-Curcumen, γ-Terpinen, 1,4-Terpeniol, Myrcen, Bornylacetat, Campher, Linalool
  • Sesquiterpene: Artanolid, Chamazulen, Desacteylglobicin, Parishin B, Parishin C, Matricin

Flavonoide

  • z. B. Kämpferol, Quercetin, Isoquercetin, Isorhamnethin glykosidgebunden
  • Flavone wie Artemisitin

Cumarine

Phenolcarbonsäuren

  • z. B. Kaffeesäure, p-Coumar-, Syringa-, Salicyl-, Chlorogen-, Vanillinsäure

Gerbstoffe

  • Tannine

Polyacetylene 

  • nur in der Wurzel

Die Zusammensetzung der Pflanzenstoffe kann sich je nach Standort, Klima und Zeitpunkt der Ernte der Arzneidroge sowie dem Auszugsmittel und der Darreichungsform unterscheiden. Ausführlich werden die Pflanzenstoffgruppen unter Pflanzenstoffe A-Z vorgestellt.

Mögliche pharmakologische Wirkungen

  • tonisierend
  • karminativ
  • choleretisch
  • spasmolytisch
  • Darmperistaltik aktivierend
  • anthelmintisch
  • antioxidativ
  • antimykotisch
  • antimikrobiell
  • ulcusprotektiv
  • anticarcinogen
  • hepatoprotectiv
  • neuroprotectiv
  • antidepressiv
  • analgetisch
  • immunmodulierend
  • zytotoxisch
  • wundheilungsfördernd

Geschichte & Mythologie

Im alten Ägypten war Wermut der Fruchtbarkeitsgöttin Bastet geweiht und wurde für Liebeszauber genutzt. Im antiken Griechenland war er dagegen der Jagdgöttin Artemis geweiht, der Beschützerin der Gebärenden. Wermut galt in verschiedenen Kulturen als Symbol des bitteren Todes und wurde als Grabpflanze verwendet. Man nutzte ihn zum Räuchern, damit er vor Hexen schützte,  in der Nähe von Wiegen aufgehängt, sollte er den Schlaf von Neugeborenen fördern. Zudem verwendete man ihn als Mäuse- und Mottenschutz.

Hildegard von Bingen befasst sich im Mittelalter ausführlich mit dem medizinischen Nutzen von Wermut. Von ihr ist die Rezeptur für eine Wermutsalbe überliefert, die heute noch hergestellt wird, und Gelenkschmerzen lindern soll.

Quellen