Gänsefingerkraut

Wissenschaftlicher Name: Potentilla anserina
Pharmazeutischer Name: Anserinae herba
Synonyme: Anserine, Dreckkraut, Gänsewiß, Grensel, Krampfkraut, Martinshand, Silberblatt, Silberkraut, Säulkraut
Familie: Rosaceae (Rosengewächs)

Heimat & Botanik

Das Gänsefingerkraut ist auf der Nordhalbkugel beheimatet und gedeiht häufig an Wegrändern und auf Wiesen. Die Pionierpflanze gilt als äußerst robust, da sie auch auf einem zuvor brach liegenden Boden wächst und trittfest ist.

Das Gänsefingerkraut hat eine grundständige Blattrosette mit bis zu zwanzig Zentimeter langen Fiederblättern, die sich entlang der Sprosse bilden. Diese Sprossen schlängeln sich durch den Boden und bilden an kleinen Knoten Wurzeln. Bei den Laubblättern handelt es sich um längliche, schmale Fiederblätter mit stark gesägtem Rand stark. Auf der Oberfläche der Blattunterseite sorgen feine Härchen für einen seidigen Glanz.

An den Knoten zeigen sich von Mai bis September leuchtend gelbe Blüten mit einem Durchmesser von ca. zwei Zentimetern. Sie verfügen über vier bis fünf konzentrisch angeordnete Kronblätter. In ihrer Mitte ragen zahlreiche Staubblätter empor. 

Das Gänsefingerkraut kam zu seinem Namen, weil Gänse es gerne essen. Auch der botanische Namenszusatz "anserina" nimmt darauf Bezug - "anser" bedeutet Gans. Die botanische Bezeichnung "Potentilla" wurde vom lateinischen Wort "Potentia" für Macht abgeleitet. "Potentilla" ist die Verkleinerungsform - ein kleines, aber mächtiges Kraut in seiner Wirkung.

Eigenschaften & Geschmack

Eigenschaften

  • kühl
  • trocken

Geschmack

  • süß
  • adstringierend

Die Wirkung des Geschmacks wird in den Theoretischen Grundlagen erläutert.

Wirkungen & Indikationen in der chinesischen Medizin

Tropismus: Leber, Dickdarm, Magen

Hitze kühlendes Kraut

Feuer ableitendes Kraut

  • Infektionen mit Helicobacter pylori, chronisch-entzündliche Erkrankungen von Magen und Darm mit viel Durst und gelbem Zungenbelag, Morbus Crohn, Colitis ulzerosa, Entzündungen der Mundschleimhaut, Stomatitis, Gingivitis

Nässe trocknendes Kraut

  • Diarrhö durch Infektionen im Gastrointestinaltrakt mit Staphylococus aureus, Bacillus subtilis (IfSG beachten), Morbus Crohn, Colitis ulzerosa 
    Hepatitis B-Infektion, Ikterus, Herpes-Infektionen

toxische Hitze ausleitendes Kraut

  • eitrige Erkrankungen z. B. durch Staphylococus aureus (IfSG beachten)

Qi bewegendes Kraut

Leber-Qi bewegendes Kraut

  • Spasmen, Krämpfe, Koliken im Gastrointestinaltrakt, Gallenkoliken, Roemheld-Syndrom, Dysmenorrhö

Blutungen stillendes Kraut

  • blutige Diarrhö, Morbus Crohn, Colitis ulzerosa, Hypermenorrhö, Nasenbluten, blutiges Sputum

Adstringierendes Kraut

Durchfall stoppendes Kraut

  • Zöliakie, Reizdarm, Diarrhö mit Krämpfen, Morbus Crohn, Colitis ulzerosa

Sinkendes Milz-Qi haltendes Kraut

  • Senkungsbeschwerden: Uterus-, Analprolaps, Spermatorrhö, Inkontinenz, Hämorrhoiden, Diarrhö

Äußerlich anwendbares Kraut

  • Entzündungen der Haut, kleine Wunden

Ausführlich werden die Syndrome unter Syndrome und Rezepturen vorgestellt. Dort werden auch weitere Pflanzen gelistet, die zur Behandlung der entsprechenden Syndrome eingesetzt werden können.

Anwendung

Infus

  • 1 -2 TL (1 TL = ca. 0,7 g) pro Tasse
  • 10-15 min. abgedeckt ziehen lassen
  • 3 x tägl. 1 Tasse
  • Tagesdosis: 4-6 g Droge

Waschungen und Teilbäder

  • Infus als Zusatz für Waschungen bzw. Teilbäder verwenden
  • Der abgekühlte Aufguss kann auch als Gurgelwasser verwendet werden.

Frischpflanzentinktur

  • Tinktur aus frischem Gänsefingerkraut anfertigen
    Glas zu ca. 25 % mit Gänsefingerkraut füllen und mit Ethanol (70 %) oder Wodka auffüllen und abgedeckt an einem warmen und dunklen Ort 3 Wochen ziehen lassen. Zwischendurch regelmäßig durchmischen. Nach etwa 3 Wochen Tinktur abfiltern und in einem dunklen Glas kühl und dunkel lagern. Dosierung: 3 x täglich 10 - 30 Tropfen
  • Im Handel verfügbare hoch konzentrierte Frischpflanzentinkturen werden niedriger dosiert, z. B. 3 x 3-5 Tropfen - s. Herstellerangaben

Urtinktur

  • Dosierung je nach Herstellerangaben 

Relevante Informationen zu den verschiedenen Darreichungsformen sind in der Rubrik "Theoretische Grundlagen" hinterlegt.

Sicherheitshinweis

Bei Milz-Qi oder -Yang-Leere mit wärmenden Kräutern kombinieren. 

Nebenwirkungen

  • Beschwerden im Magen wegen des hohen Gehalts an Gerbstoffen

Kontraindikationen

  • Reizmagen
  • Schwangerschaft, Stillzeit und Kinder unter 12 Jahren aufgrund fehlender Erkenntnisse zur Sicherheit 

Mögliche Wechselwirkungen mit Arzneistoffen

Gerbstoffe können die Bioverfügbarkeit von Arzneistoffen beeinträchtigen. Im Falle einer geplanten gemeinsamen Anwendung von Gänsefingerkraut zusammen mit Arzneistoffen sollten Nutzen und Risiken gemeinsam mit der behandelnden Ärztin bzw. dem behandelnden Arzt abgewogen werden.

Pflanzenstoffe

Gerbstoffe 5-10 %

  • Ellagitannine, Gallotannine

Flavonoide

  • u. a. Kämpferol, Myricetin, Quercitrin, Isorhamnetin
  • Diflavonol: Potentilin A
  • Anthocyanidine: Cyanidin, Leukodelphinidin

Amine und Aminosäuren

  • Cholin, Glycin, Histidin, Prolin

Phenolcarbonsäuren

  • p-Cumar-, Ferula-, Ellag- und Kaffeesäure

Cumarine

  • Scopoletin, Umbelliferon

Triterpensaponine

  • Tormentosid

Sterole

Mineralstoffe

  • Kalium, Calcium, Magnesium z. T. als Oxalate

Polysaccharide

  • Galactose, Rhamnose, Glucose, Arabinose

Ätherisches Öl

Ausführlich werden die Pflanzenstoffgruppen unter Pflanzenstoffe A-Z vorgestellt.

Mögliche pharmakologische Wirkungen

  • adstringierend
  • motilitätsfördernd
  • antimikrobiell
  • antidiarrhoisch
  • antiinflammatorisch
  • spasmolytisch
  • antioxidativ

Geschichte & Mythologie

Gänsefingerkraut wurde schon von Plinius dem Älteren erwähnt und im Mittelalter medizinisch genutzt. Aufgrund seiner fünfzähligen Blätter und Blüten wurde das Gänsefingerkraut einst mit einem Pentagramm in Verbindung gebracht, einem uralten Schutzsymbol. So galt das Gänsefingerkraut als schutzbringende Pflanze, von der man annahm, dass sie Unheil und Krankheiten abwehren könnte, weshalb man sie in Amulette einarbeitete. Aus dem gleichen Grund wurde Gänsefingerkraut für Räucherungen eingesetzt, um böse Geister fern zu halten.

In einigen Regionen dachte man, dass das Kraut von Gänsen bevorzugt gefressen würde. Dies führte nicht nur zum Namen der Pflanze. Gänse galten zum Teil als heilige Tiere, teils auch als Totentiere.

Quellen