Weißdorn

Wissenschaftlicher Name: Crategus monogyna, Crataegus laevigata (= C. oxyacantha)
Pharmazeutischer Name: Crataegi folium cum floribus, Crataegi fructus
Synonyme: Hagedorn, Mehldorn, Schlafdorn
Familie: Rosaceae (Rosengewächs)

Heimat & Botanik

Der auf der Nordhalbkugel verbreitete Weißdorn ist ein sommergrüner, stark verzweigter Strauch mit vielen verschiedenen Varianten, die sich untereinander zudem vielfach kreuzen. Ihre Unterscheidung ist daher schwierig. Die Blätter sind an den mit Dornen ausgestatteten Zweigen wechselständig angeordnet und verfügen über einen Blattstiel sowie Nebenblätter. Die Laubblätter des eingriffeligen Weißdorns sind tiefer eingeschnitten, diejenigen des zweigriffeligen Weißdorns sind dagegen rautenförmig und gesägt.

Die Blüten bilden sich im Mai und Juni. Sie stehen in schirmförmigen Rispen zusammen und haben einen Durchmesser von bis zu zwei Zentimetern. Ihre Kronblätter sind weiß, manchmal auch rosa bis rot gefärbt. Im Herbst reifen die kleinen, roten Steinfrüchte.

Die beiden Hauptvarianten sind der eingriffelige und der zweigriffelige Weißdorn. Sie unterscheiden sich theoretisch durch die Anzahl ihrer Griffel in der Blüte. Der eingriffelige Weißdorn hat eigentlich einen Griffel, kann allerdings auch zwei Griffel bilden. Der zweigriffelige Weißdorn bildet auch drei oder seltener nur einen Griffel. Daher ist es einfacher, die beiden Formen an ihrer  Blattform zu unterscheiden.

Der deutsche Name "Weißdorn" beschreibt die kleinen, weißen, in Trauben stehenden Blüten und die dicht gedrängten Zweige mit ihren Dornen. Dagegen bezieht sich der botanische Name "Crataegus" auf die griechischen Worte "krataigos" oder "krataiós". Die Bezeichnung "krataigos" ist für eine Strauchart mit essbaren Früchten am Berg Ida in Kleinasien durch den Naturphilosoph Theophrast überliefert. "krataiós" bedeutet dagegen fest oder stark und beschreibt die Stabilität des Holzes.

Eigenschaften & Geschmack

Eigenschaften

  • Blätter mit Blüten
    • kühl
  • Früchte
    • warm

Geschmack

  • Blätter mit Blüten
    • etwas süß
    • leicht bitter
    • adstringierend
  • Früchte
    • süß
    • sauer
    • leicht bitter

Die Wirkung des Geschmacks wird in den Theoretischen Grundlagen erläutert.

Wirkungen & Indikationen in der chinesischen Medizin

Blätter und Blüten

Tropismus: Blätter und Blüten: Herz

Die kühlen Blätter und Blüten des Weißdorns mit ihrem leicht süßen, bitteren und adstringierenden Geschmack sind eine wichtige Arzneipflanze zur begleitenden Behandlung von Erkrankungen des Herzens. Sie tonisieren und bewegen das Herz-Qi, außerdem lösen sie Blutstase. Süß schmecken sie aufgrund des Gehalts an Polysacchariden, bitter schmecken dagegen unter anderem Flavonoide und Triterpene. Phenolcarbonsäuren und oligomere Procyanidine (OPC) wirken adstringierend, wobei die OPCs auch bewegende Eigenschaften haben. 

Qi bewegendes Kraut

Herz-Qi bewegendes Kraut

  • Altersherz, Herzinsuffizienz NYHA I-III, orthostatische Dysregulation, Schwindel, Bradykardie, Herzrhythmusstörungen, Palpitationen abends im Bett, Ängste

Blut bewegendes und Stase lösendes Kraut

  • Durchblutungsstörungen, Angina pectoris, bläuliche Lippen, gestaute Unterzungenvenen, Dysmenorrhö

Tonikum

Qi-Tonikum

  • Herz-Qi-Tonikum
    Müdigkeit, Schwäche, Altersherz, Herzinsuffizienz NYHA I-III, Hypotonie, orthostatische Dysregulation, Kreislaufschwäche, Schwindel, Bradykardie, Palpitationen bei Anstrengung, Spontanschweiß

Weißdornfrüchte

Tropismus: Milz, Magen, Leber

Die warmen, leicht bitter, süß und sauer schmeckenden Früchte des Weißdorns werden in der chinesischen Medizin dagegen schon lange als verdauungsförderndes Kraut genutzt. Für den sauren Geschmack sorgen Fruchtsäuren, während Triterpene, Saponine und Flavonoide bitter schmecken. Den süßen Geschmack verdanken die Früchte ihrem Gehalt an Polysacchariden.

Verdauungsförderndes Kraut

  • Aufstoßen, Sodbrennen, Übelkeit, Völlegefühl, Bauchschmerzen, Diarrhö

Ausführlich werden die Kategorien unter Kategorien & Rezepturen vorgestellt. Dort werden auch weitere Pflanzen gelistet, die wir der jeweiligen Kategorie zugeordnet haben.

Anwendung

Blätter und Blüten

Dosierungen für Erwachsene

  • Infus
    • 1 - 2 TL bzw. 1 - 2 g (1 TL = ca. 1,8 g) pro Tasse
    • 15 min. abgedeckt ziehen lassen
    • 3 - 4 x tgl. 1 Tasse a. c.
    • Tagesdosis: 5-10 g
  • Urtinktur
    • 3 x 20 Tr. oder nach Herstellerangaben
  • Frischpflanzentinktur
    • 3 x 3-7 Tropfen je nach Herstellerangaben
  • Pflanzenpresssaft
    • 3 x täglich 10 ml a. c.
  • Extrakte und Fertigarzneimittel
    • nach Herstellangaben

Früchte

  • Dekokt
    • 1-2 TL , 2-3- x tgl. 

Hinweis
Einige im Handel befindlichen Zubereitungen werden aus Blättern, Blüten und Früchten hergestellt. Bitte immer die Herstellerangaben zur Dosierung beachten. Eine Daueranwendung sollte nur nach ärztlicher Untersuchung erfolgen - insbesondere, wenn die Beschwerden länger als sechs Wochen anhalten.

Wir setzten Heilpflanzen in der Regel nicht als Einzeldroge, sondern gemeinsam mit anderen Heilpflanzen ein; wie wir sie kombinieren, ist im Abschnitt “Rezepturenlehre” erläutert. Informationen zu den verschiedenen Darreichungsformen sind in der Rubrik "Theoretische Grundlagen" hinterlegt. 
 

Vorsicht

Bisher fehlen Erkenntnisse und Daten zur Sicherheit der Anwendung bei Kindern und Jugendlichen unter 12 Jahren. 

Kontraindikationen

  • Fülle- und Leere-Hitze
  • Hypertonie
  • Schwangerschaft und Stillzeit

Hinweis
Im Falle von Ödemen in den Beinen oder Schmerzen im Bereich des Herzens, die in die Arme, den Oberbauch oder in die Halsgegend ausstrahlen, ist dringend ein Arzt zu konsultieren!

Mögliche Wechselwirkungen mit Arzneistoffen

Weißdorn 

  • kann die Bioverfügbarkeit von Herzglykosiden verbessern, ohne dass bisher eine Verstärkung von Nebenwirkungen beobachtet wurde. Patienten sollte man darüber aufklären und sie engmaschig beobachten.
  • wirkt adstringierend und kann daher theoretisch die Resorption von Arzneistoffen beeinträchtigen.
  • hemmt die Blutgerinnung, so dass theoretisch ein erhöhtes Blutungsrisiko bei gemeinsamer Anwendung mit Gerinnungshemmern möglich ist
  • wirkt antihypertensiv und kann die Wirkung von Antihypertensiva verstärken.
  • wirkt negativ chronotrop und kann die Wirkung von entsprechend wirkenden Antiarrhythmika verstärken.
  • verlängert die QT-Zeit und kann die Wirkung von entsprechend wirkenden Arzneistoffen verstärken.

Im Falle einer gemeinsamen Anwendung von Weißdorn mit Arneistoffen sollten Nutzen und Risiken mit dem behandelnden Arzt bzw. der behandelnden Ärztin abgewogen werden.

Pflanzenstoffe

Oligomere Procyanidine (OPC) 1-4 %

  • Dimere, trimere und hexamere Flavan-3-ole mit Catechin oder Epicatechin als monomerer Einheit
  • Procyanidine B2, B4, B5, C1 und D1

Flavonoide 0,3-2,5 %

  • Flavone, Flavonole, Anthocyanin und Anthocyanidine
    z. B. Hyperosid, Rutosid, Vitexin, Taxifolin, Quercetin und Derivate
    sowie Cyanidin, Malvidin, Paeonidin

Phenolcarbonsäuren

  • Hydroxyzimt-, Hydroxybenzoesäure- bzw. Caffeoylchinasäurederivate

Triterpene

  • Oleoanol- und Ursolsäurederivate, Butyrospermol, Cycloartenol

Biogene Amine

Sterole

Aminopurine

Polysaccharide

Früchte

zusätzlich

Pflanzensäuren

  • z. B. Fruchtsäuren wie Ameisen-, Apfel-, Ascorbin-, Oxal-, Wein-, Zitronensäure sowie Fettsäuren

Saponine

Tannine

Die Zusammensetzung der Pflanzenstoffe kann sich je nach Standort, Klima und Zeitpunkt der Ernte der Arzneidroge sowie dem Auszugsmittel und der Darreichungsform unterscheiden. Ausführlich werden die Pflanzenstoffgruppen unter Pflanzenstoffe A-Z vorgestellt.

Mögliche pharmakologische Wirkungen

Blätter und Blüten

  • antiarrhythmisch
  • positiv inotrop
  • positiv dromotrop
  • negativ chronotrop
    Diese Wirkung ist umstritten.
  • negativ bathmotrop
  • vasodilatatorisch 
    koronoare, cerebrale und periphere Durchblutung wird verbessert
  • antimikrobiell
  • gastroprotektiv
  • hepatoprotektiv
  • antidiabetisch
  • neuroprotektiv
  • anxiolytisch

Früchte

  • adstringierend
  • spasmolytisch
  • antimikrobiell
  • gastroprotektiv

Geschichte & Mythologie

Die Griechen gingen davon aus, dass der Weißdorn ein Geschenk von Janus sei, dem Gott mit den zwei Gesichtern. Griechen und Römer sahen im Weißdorn ein Symbol für Liebe und Treue in der Ehe.

Als dornige Heckenpflanze schützte der Weißdorn die Menschen früher vor den in der Wildnis lauernden Gefahren: vor gefährlichen Tiere ebenso wie vor Dämonen. Man nahm an, dass der Weißdorn die Wohnstätte der guten Hausgeister oder guter Feen sei und verehrte ihn im Mittelalter sehr. Zugleich sollte er den ruhigen Schlaf behüten, eine Funktion, die auch über das Märchen vom Dornröschen überliefert ist. Brunhilde nutzte "Schlafdorn" sogar, um Odin in einen tiefen Schlaf zu versetzten.

Das Holz vom Weißdorn wurde zur Herstellung der Stiele von Werkzeugen oder Spazierstöcken verwendet. Außerdem röstete man früher Weißdornkerne und verwendete sie als Kaffeeersatz, während man getrocknetes Fruchtfleisch dem Mehl untermischte.

Quellen