Wissenschaftlicher Name: Matricaria recutita
Pharmazeutischer Name: Chamomillae flos
Synonyme: Apfelkraut, Drudenkraut, Feldkamille, Hermel, Hermelin, Kummerblume, Mägdeblume
Familie: Asteraceae (Korbblütler)
Die Kamille wird etwa einen halben Meter hoch. Sie hat 2- bis 3-fach gefiederte, äußerst feine und lange Laubblätter. Sie blüht von Mai bis Juli. Ihre charakteristischen Blüten haben in der Mitte einen nach oben gewölbten Blütenboden mit einer Vielzahl an gelben Röhrenblüten darauf. Um den Blütenboden herum befindet sich am Rand ein Kreis von etwa 15 weißen, länglichen Zungenblüten.
Öffnet man den Blütenboden, fällt ein weiteres Erkennungsmerkmal der echten Kamille auf: der Blütenboden ist hohl. Dieser Hohlraum wird in der Signaturenlehre einerseits mit einem Luftkissen gleichgesetzt, das starke Einflüsse von außen abfedern kann und andererseits mit der Gebärmutter in Zusammenhang gebracht. Daher werden ihr vielfach mütterliche Eigenschaften zugeschrieben.
Dies hat sogar die Namensgebung beeinflusst. Der botanische Name "Matricaria" stammt von "matrix", dem lateinischen Wort für Gebärmutter, mütterlichen Schoß bzw. Muttertier oder "mater" für Mutter bzw. mütterliche Liebe. Die Bezeichnung "Chamomilla", von der sich auch der deutsche Name Kamille herleitet, hat einen griechischen Ursprung. "Chamai" bedeutet "auf der Erde" und "melon" heißt "Apfel". Man könnte den Namen demnach als "am Boden wachsender Apfel" übersetzen. Der Zusatz "recutita" wurde von "recutitus" für "glatt geschoren" abgeleitet, was sich möglicherweise auf die gelben Röhrenblüten der Kamille bezieht.
Die Wirkung des Geschmacks wird in den Theoretischen Grundlagen erläutert.
Tropismus: Leber, Milz, Magen, Lunge, Dickdarm, Shen
Die Kamille ist eine Qi bewegende und Hitze kühlende Arzneipflanze. Ihr bewegendes Potential zeigt sich am leicht bitteren und aromatischen Geschmack. Der aromatische Geschmack wirkt zerstreuend zusammen mit den ätherischen Ölen, die ihn verursachen. So kann Kamille Wind-Hitze an die Oberfläche bringen, so dass der pathogene Faktor eliminiert werden kann. Das ätherische Öl bewegt zusammen mit Flavonoiden und Cumarinen das Leber-Qi und reguliert das Qi in der Mitte. Hier arbeiten der aromatische, der bittere und der leicht süße Geschmack zusammen.
Bitter schmeckende Flavonoide und Phenolcarbonsäuren kühlen Hitze im Magen-Darm-Trakt, trocknen Nässe, beseitigen feuchte Hitze aus dem Darm und dem Urogenitaltrakt und behandeln toxische Hitze in der Haut. Bekanntermaßen ist die Kamille eine wichtige wundheilungsfördernde Arzneipflanze.
Der Blütenboden der Kamille ist innen hohl. Er bildet somit gewissermaßen eine Schutzhöhle, die an den Uterus erinnert, in dem der Fötus sich wohl behütet entwickeln konnte. Analog kann die Kamille mütterliche Geborgenheit vermitteln und dank ihres Gehalts an ätherischen Ölen sowie Flavonoiden beispielsweise antidepressiv und anxiolytisch wirken. Verärgerte, überreizte oder ungeduldige Kinder und Erwachsene werden ruhiger und ausgeglichener. Kreisende Gedanken kommen zur Ruhe. Indem die Kamille die Mitte reguliert, harmonisiert und beruhigt sie Shen. Harmonisierend wirkt hier auch der leicht süße Geschmack. Kamille stellt dabei die Balance zwischen Holz und Erde wieder her.
Wind-Hitze eliminierendes Kraut
Nässe trocknendes Kraut (feuchte Hitze)
toxische Hitze ausleitendes Kraut
Shen beruhigendes und harmonisierendes Kraut
Ausführlich werden die Kategorien unter Kategorien & Rezepturen vorgestellt. Dort werden auch weitere Pflanzen gelistet, die wir der jeweiligen Kategorie zugeordnet haben.
Erwachsene
Kinder
Obwohl die EMA Dosierungen für Kinder definiert hat, wird in Deutschland von einer Anwendung von Kamille bei Kindern unter 12 Jahren abgeraten.
Wir setzten Heilpflanzen in der Regel nicht als Einzeldroge, sondern gemeinsam mit anderen Heilpflanzen ein; wie wir sie kombinieren, ist im Abschnitt “Rezepturenlehre” erläutert. Informationen zu den verschiedenen Darreichungsformen sind in der Rubrik "Theoretische Grundlagen" hinterlegt.
Bisher fehlen Erkenntnisse und Daten zur Sicherheit der Anwendung in Schwangerschaft und Stillzeit.
Kamille hemmt verschiedene Isoenzyme von CYP, daher sind zumindest theoretisch Interaktionen mit den Substraten möglich. Im Falle einer geplanten gemeinsamen Anwendung von Kamille zusammen mit Arzneistoffen sollten Nutzen und Risiken daher gemeinsam mit der behandelnden Ärztin bzw. dem behandelnden Arzt abgewogen werden.
Die Zusammensetzung der Pflanzenstoffe kann sich je nach Standort, Klima und Zeitpunkt der Ernte der Arzneidroge sowie dem Auszugsmittel und der Darreichungsform unterscheiden. Ausführlich werden die Pflanzenstoffgruppen unter Pflanzenstoffe A-Z vorgestellt.
In der Volksheilkunde war die Kamille ein geschätztes Mittel gegen Frauenleiden und kam im Wochenbett zum Einsatz. Die Germanen hatten sie dem Lichtgott Baldur geweiht, im alten Ägypten war sie als Blume des Sonnengottes heilig.
Im Mittelalter hängte man Kamillenblüten um Johanni ins Zimmer, um zu erkennen, wenn eine Hexe den Raum betritt. Man nahm an, dass der Strauß wackeln würde, sollte sich eine Hexe im Zimmer aufhalten.
Die von uns bei der Erstellung der Inhalte für diese Webseite verwendeten Fachbücher sind im Literaturverzeichnis einsehbar. Darüber hinaus basieren die Inhalte zu dieser Pflanze auf folgenden Quellen:
> HPMC-Monographie der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA)
> El Mihyaoui A, Esteves da Silva JCG, Charfi S et al. Chamomile (Matricaria chamomilla L.): A Review of Ethnomedicinal Use, Phytochemistry and Pharmacological Uses. Life (Basel). 2022 Mar 25;12(4):479.
> Catani MV, Rinaldi F, Tullio V et al. Comparative Analysis of Phenolic Composition of Six Commercially Available Chamomile (Matricaria chamomilla L.) Extracts: Potential Biological Implications. Int J Mol Sci. 2021 Sep 30;22(19):10601.