Hafer

Wissenschaftlicher Name: Avena sativa
Pharmazeutischer Name: Avenae herba, Avenae fructus, Avenae stramentum
Synonyme: Heuhüpfer, Hupfer
Familie: Poaceae (Süßgräser)

Heimat & Botanik

Hafer ist ein bis zu eineinhalb Meter hoch wachsendes Rispengras. Die Blätter sind zweizeilig angeordnet und umschließen den Halm. Die einzelnen Blattspreiten werden bis zu fünfundvierzig Zentimeter lang und sind fünf bis fünfzehn Zentimeter breit. Aus der Blattscheide wächst ein fünfzehn bis dreißig Zentimeter langer, rispenförmiger Blütenstand heraus. Charakteristisch sind seine waagrecht stehenden Äste und die nach unten geneigten Blüten an zwei bis drei Zentimeter langen Ähren. An jeder Ähre wachsen zwei bis drei Blüten, die zu Haferfrüchten reifen, nachdem sie befruchtet wurden. Fast alle Pflanzenteile werden medizinisch genutzt: die Haferfrüchten bzw. -samen, deren Kleie, das grüne Haferkraut und das Stroh. Darüber hinaus sind die Früchte des Hafers ein wichtiges Grundnahrungsmittel.

Der wissenschaftliche Name "Avena" wurde schon von den Römern verwendet, die den Hafer an ihr Vieh verfütterten. Im Sanskrit bedeutet "avasa" Nahrung. Der Namenszusatz "sativa" für "angepflanzt" ist lateinischen Ursprungs.

Eigenschaften & Geschmack

Eigenschaften

Grüner Hafer

  • neutral

Haferfrüchte

  • neutral-warm

Haferstroh

  • neutral

Geschmack

Grüner Hafer

  • süß
  • leicht bitter
  • leicht adstringierend

Haferfrüchte

  • süß
  • fad
  • mild

Die Wirkung des Geschmacks wird in den Theoretischen Grundlagen erläutert.

Wirkungen & Indikationen in der chinesischen Medizin

Grüner Hafer (Avenae herba)

Tropismus: Milz, Magen, Herz, Niere

Tonikum

Blut-Tonikum

  • Anämie, Müdigkeit, Erschöpfung, Schwindel, Hauttrockenheit, Einschlafstörung, Kopfschmerzen

Qi-Tonikum

  • Müdigkeit, Erschöpfung, Konzentrationsstörungen, mangelnde Libido

Shen beruhigendes Kraut

Beruhigendes und Herz-Blut nährendes Kraut

  • Palpitationen, nervöse Erschöpfung, Schreckhaftigkeit, ängstliche Anspannung, Schlafstörungen, Suchtprobleme, ADHS

Hitze kühlende Kräuter

Leere Hitze eliminierendes Kraut

  • Hyperthyreose, Unruhe, gerötete Zungenspitze

Hafersamen (Avenae fructus)

Tropismus: Milz, Magen, Herz, Niere

Tonikum

Blut-Tonikum

  • Anämie, Müdigkeit, Erschöpfung, Trockenheit von Haut, Nägel und Haaren

Yin-Tonikum

  • Gewichtsverlust, Klimakterium mit Trockenheitssymptomen, Hitzewallungen, Haarausfall, Osteoporose, schlechte Knochenheilung

Qi-Tonikum

  • Konzentrationsstörungen, Erschöpfung, Müdigkeit, Rekonvaleszenz, breiiger Stuhl, Nerven stärkend

Shen aktivierendes Kraut

  • verhilft zu innerer Klarheit, Präsenz, Selbstbewusstsein

Haferstroh (Avenae stamentum)

Tropismus: Leber, Niere, Blase

Wind und Nässe eliminierendes Kraut (Bi-Syndrome)

Hitze, Wind und Nässe eliminierende Kräuter

  • Rheuma, Gicht, Gelenkschmerzen, nässende Dermatosen

Kraut, das die Haut behandelt 

  • Chron. Ekzeme, seborrhoisches Ekzem, Juckreiz, Hautflechten, Stoffwechsel anregend

Äußerlich anwendbares Kraut

  • Ekzeme, Juckreiz, Hautflechten, rheumatische Erkrankungen

Ausführlich werden die Kategorien unter Kategorien & Rezepturen vorgestellt. Dort werden auch weitere Pflanzen gelistet, die wir der jeweiligen Kategorie zugeordnet haben.

Anwendung

Infus

Kraut

  • 3 g pro Tasse (1 EL = ca. 3 g)
  • 15 Minuten abgedeckt ziehen lassen
  • 3 x täglich 1 Tasse

Früchte

  • Verzehr im Frühstückbrei

Pflanzenpressaft

  • 3 x täglich 10 ml mit etwas Wasser

Fluidextrakt

Kraut

  • 3 x täglich 5 ml

Äußerlich

Hafermehl

  • 60 g im Vollbad
  • Zubereitungen zur äußerlichen Anwendung 5-30 %

Stroh (Stramentum)

  • 100g Haferstroh auf ein Vollbad

Wir setzten Heilpflanzen in der Regel nicht als Einzeldroge, sondern gemeinsam mit anderen Heilpflanzen ein; wie wir sie kombinieren, ist im Abschnitt “Rezepturenlehre” erläutert. Informationen zu den verschiedenen Darreichungsformen sind in der Rubrik "Theoretische Grundlagen" hinterlegt. 

Nebenwirkungen

Das Kraut kann die Fähigkeit zur Teilnahme am Straßenverkehr und zum Bedienen von Maschinen beeinträchtigen. Es sollte daher auf das Steuern eines Fahrzeugs und das Bedienen von Maschinen verzichtet werden.

Vorsicht

Bisher fehlen Erkenntnisse und Daten zur Sicherheit der Anwendung in Schwangerschaft und Stillzeit sowie bei Kindern und Jugendlichen unter 12 Jahren. 

Kontraindikationen

  • Unverträglichkeit

Mögliche Wechselwirkungen mit Arzneistoffen

Haferkraut kann ebenso wie Haferkleie unter Umständen die Wirkung von Antihypertensiva, Lipidsenkern und Antidiabetika verstärken. Insbesondere bei der gemeinsamen Anwendung mit Antidiabetika sollten Patient*innen daher über Symptome einer Hypoglykämie aufgeklärt werden. Sie soltlen weiterhin angewiesen werden, Traubenzucker o. ä. mitzuführen, damit sie in dieem Fall umgehend gegensteuern können.  

Im Falle einer geplanten gemeinsamen Anwendung zusammen mit Arzneistoffen sollten Nutzen und Risiken gemeinsam mit der behandelnden Ärztin bzw. dem behandelnden Arzt abgewogen werden.

Pflanzenstoffe

Grüner Hafer

Kohlenhydrate

  • Polysaccharide, Oligosaccharide
  • Betaglucane, Bifurcose, Galaktoarabinoxylane, Ketose, Neokestose, Pentosane 

Aminosäuren

  • Avenasäure A und B

Flavonoide

  • Apigenin, Isoorientin, Isoviexin, Vitexin

Steroidsaponine

  • Avenacosid A und B

Mineralstoffe und Spurenlemente

  • Eisen, Kieselsäure, Kalium, Magnesium, Mangan, Selen, Zink, Fluoride, Phosphor 

Haferfrüchte

Kohlenhydrate

  • Polysaccharide, Oligosaccharide, Betaglucane

Proteine

  • Aminosäuren vor allem Glutamin, Lysin, Threonin, Prolin
  • Enzyme wie α-Amylase, Hydroxylasen, Lipasen, Maltase, Phosphatasen, Proteasen

Fette

  • gesättigte, einfach ungesättigte und mehrfach ungesättigte Fettsäuren

Flavonoide

phenolische Alkaloide

  • Avenanthramide

Sterole

Mineralstoffe und Spurenlemente

  • Calcium, Chrom, Cobalt, Eisen, Kupfer, Mangan, Molybdän, Nickel, Selen, Silicum, Vanadium, Zink, Fluoride, Jod

Vitamine

  • B-Vitamine, Vitamin C und E

Ausführlich werden die Pflanzenstoffgruppen unter Pflanzenstoffe A-Z vorgestellt.

Mögliche pharmakologische Wirkungen

Alle

  • antihypertensiv
  • immunstimulierend
  • tumorprotektiv
  • antioxidativ

Kraut

  • sedierend
  • anxiolytisch
  • analgetisch
  • diuretisch

Früchte & Kleie

  • antidiabetisch
  • lipidsenkend
  • Kleie zusätzlich
    • laxativ

Stroh

  • antiinflammatorisch
  • juckreizstillend
  • adstringierend
  • sedierend

Geschichte & Mythologie

Der Hafer wurde einst an Pferde und Hühner verfüttert. Dabei wollte man nicht nur, dass das Vieh satt wird, der Hafer sollte zugleich vor Krankheiten schützen. Aus dem gleich Grund legten die Bauern zur Weihnachtszeit Haferbüschel aus.

Der Hafer aber auch Bestandteil vieler Rituale rund um die Familiengründung, denn er wurde eng mit Fruchtbarkeit in Zusammenhang gebracht: Am 26. Dezember, dem Stefanstag, warfen junge Männer einst Hafer auf junge Frauen. Die Attraktivität der Frauen, an denen viel Hafer hängen blieb, stieg umgehen, denn dies galt als Hinweis, dass sie viele Kinder gebären werden. Auch Brautpaare bewarf man aus diesem Grund mit Hafer. Auf den Brauttisch stand zudem eine Schale Wasser, in der Hafer schwamm. Gingen die Körner unter, stand die Ehe unter einem schlechten Ohmen. 

Quellen