Artischocke

Wissenschaftlicher Name: Cynara scolymus, Cynara cardunculus
Pharmazeutischer Name: Cynarae folium
Familie: Asteraceae (Korbblütler)

Heimat & Botanik

Im ersten Jahr bildet die im Mittelmeerraum beheimatete Artischocke eine grundständige Blattrosette mit möglicherweise dornigen Laubblättern, die zwei- bis dreifach gefiedert und bis zu vierzig Zentimeter breit sowie achtzig Zentimeter lang sind. Die Blätter sind an ihrer Unterseite behaart.

Ab dem zweiten Jahr wachsen die Stängel bis zu zwei Meter nach oben. An ihrem oberen Ende bilden sich Blütenstände. Umgeben von kräftigen Hüllblättern blühen im Sommer die violetten Röhrenblüten. Im Unterschied zu den üppigen Blättern und im Verhältnis zur Größe der Pflanze sind diese prächtigen Blüten recht klein. Während die Laubblätter sehr ausladend sind, richten sich die kompakt stehenden Hüllblätter am höchsten Punkt der Pflanze nach innen. 

Die deutsche Bezeichnung "Artischocke" hat einen arabischen Ursprung: "al-churchufa" heißt essbare Pflanze, "ardi-schauki"  nennt man die Erddistel. Der Ursprung des botanischen Namens "Cynara" ist nicht überliefert. Der Zusatz "Scolymnus" geht vermutlich auf das Griechische zurück: "skolybos" bedeutet "essbare Zwiebel". Dagegen stammt der Zusatz "Cardunculus" aus dem Lateinischen und kann mit kleine Distel übersetzt werden.

Eigenschaften & Geschmack

Eigenschaften

  • leicht warm

Geschmack

  • bitter
  • leicht süß
  • leicht salzig

Die Wirkung des Geschmacks wird in den Theoretischen Grundlagen erläutert.

Wirkungen & Indikationen in der chinesischen Medizin

Tropismus: Leber, Milz

Trinkt man einen aus Artischockenblättern zubereiteten Tee, dominiert anfangs der salzig-süße Geschmack der Mineralstoffe und Polysaccharide, bevor sich der bittere Geschmack entfaltet und persistiert. Der bittere Geschmack bewegt und senkt ab. Er wirkt unter anderem karminativ, cholagog und choleretisch. Die Artischocke reguliert auf diese Weise vor allem die Achse zwischen Holz und Erde. Sie bewegt sowohl das Leber-Qi als auch das Qi in der Mitte. Artischockenblätter können vor allem dann zum Einsatz kommen, wenn Nässe und Schleim, den Qi-Fluss beeinträchtigen. Dabei regenerieren sie die Leber und führen mild ab.

Der bittere Geschmack wird nicht nur durch die Sesquiterpene und Phenole bzw. Phenolcarbonsäuren ausgelöst, sondern auch durch Flavonoide. Phenolcarbonsäuren trocknen Nässe. Das in den Blättern enthaltene Inulin und die Fructooligosaccharide können im Darm Gallensäuren binden und sie dem enterohepatischen Kreislauf entziehen. So ist der Körper gezwungen Cholesterin zu nutzen, um neue Gallensäuren zu bilden. Die Cholesterinwerte im Blut sinken. Die Flavonoide Apigenin und Luteolin können zudem die Cholesterinbildung hemmen. Die antioxidativen Eigenschaften zahlreicher weiterer Pflanzenstoffe können zudem einen günstigen Einfluss auf die LDL-Bildung haben. Inulin und die Fructooligosaccharide können weiterhin für einen verminderten Anstieg der postprandialen Blutzuckerwerte sorgen. Artischocke eliminiert auf diese Weise Schleim aus der Leitbahn und eliminiert Nässe aus der Mitte. 

Die Artischocke vereint in ihrem Erscheinungsbild einige Gegensätze: ihre langen, tief eingeschnittenen, zum Teil dornigen Laubblätter ragen weit in die Umgebung und erobern förmlich den Raum. Dabei wirken sie nahezu aggressiv. Hier kann man den Bezug der Artischocke zum Holz deutlich erkennen. Die fleischigen Hüllblätter der Blüten dagegen sind konkav nach innen gewölbt. Sie wirken jedoch durch ihre spitz zulaufende Form ebenfalls sehr wehrhaft, zumal diese Spitzen nach außen gerichtet sind. Der von ihnen umhüllte und scheinbar beschützte Fruchtboden präsentiert die zarten lila Röhrenblüten wie auf einem Tablett. Die Pflanze wirkt daher zugleich üppig und wehrhaft als auch zart und zurückhaltend. Holz möchte seine Visionen umsetzen und seinen Lebensraum erobern, aber es muss auch flexibel auf die Grenzen reagieren, die sich im Alltag in den Weg stellen. Die richtige Balance gelingt manchmal nicht, dann schießen die Betroffenen über das für andere erträgliche Maß hinaus oder sie verzichten schon von vornherein. Eine Tendenz zur Maßlosigkeit kann die Artischocke daher ebenso regulieren wie einen unangemessenen Verzicht. Es ist die Erdqualität der Artischocke für einen harmonischen Ausgleich zu sorgen.

Aromatisches, Nässe aus der Mitte eliminierendes Kraut

  • Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Völlegefühl, Diarrhö, weicher Stuhl, Adipositas, Aszites, Prädiabetes

Schleim außerhalb der Lunge behandelndes Kraut

Schleim in den Leitbahnen transformierendes Kraut

  • erhöhte Cholesterin- u. Triglyceridwerte, Arteriosklerose, rheumatische Arthitis, Gicht

Abführendes Kraut

Obstipation durch Leber-Qi-Stagnation lösendes Kraut

  • träge Verdauung mit Schmerzen, Obstipation

Qi bewegendes Kraut

Leber-Qi bewegendes Kraut

  • Schmerzen in den Flanken, Stimmungsschwankungen, Appetitlosigkeit bei Frust oder Stress, dyspeptische Beschwerden, Wechsel von Diarrhö und Obstipation, funktionellen Störung der ableitenden Gallenwege

Mitte regulierendes Kraut

  • absenkendes, bitteres Kraut
    Magenschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Völlegefühl, Blähungen, Flatulenz, Bulimie, Anorexia nervosa

Leber regenerierendes Kraut

  • organische Leberschäden, Leberzirrhose

Ausführlich werden die Kategorien unter Kategorien & Rezepturen vorgestellt. Dort werden auch weitere Pflanzen gelistet, die wir der jeweiligen Kategorie zugeordnet haben.

Anwendung

Infus

  • Erwachsene
    • 1,5 g (1 TL) pro Tasse, 10-15 min. abgedeckt ziehen lassen, 3-4 x täglich 1 Tasse a.c.
    • 3 g (2 TL) pro Tasse, 10-15 min. abgedeckt ziehen lassen, 1-2 x täglich 1 Tasse a.c.
    • Tagesdosis: 3-6 g Droge

Pulver

  • Erwachsene: 600 - 1.500 mg über den Tag verteilt

Extrakt 

  • Ewachsene: bis zu 1.300 mg Trockenextrakt hergestellt aus den getrockneten Blättern pro Tag
  • Ewachsene: bis zu 2.700 mg Trockenextrakt hergestellt aus den frischen Blättern pro Tag

Presssaft

  • Erwachsene: 3 x täglich 10 ml mit etwas Wasser oder unverdünnt vor dem Essen 

Wir setzten Heilpflanzen in der Regel nicht als Einzeldroge, sondern gemeinsam mit anderen Heilpflanzen ein; wie wir sie kombinieren, ist im Abschnitt “Rezepturenlehre” erläutert. Informationen zu den verschiedenen Darreichungsformen sind in der Rubrik "Theoretische Grundlagen" hinterlegt. 

Nebenwirkungen

  • Abnahme der Muttermilch
  • Beschwerden im Oberbauch
  • Diarrhö
  • Übelkeit
  • Sodbrennen
  • sehr selten allergische Reaktionen

Vorsicht

Bisher fehlen Erkenntnisse und Daten zur Sicherheit der Anwendung in Schwangerschaft und Stillzeit sowie bei Kindern und Jugendlichen unter 12 Jahren. 

Kontraindikationen

  • Verschluss der Gallenwege
  • Gallensteine
  • Erkrankungen der Leber
  • bekannte Allergien gegen Korbblütler

Mögliche Wechselwirkungen mit Arzneistoffen

  • Es können sich synergistische Effekte mit Lipidsenkern ergeben.
  • Die Artischocke kann die Wirkung von Antikoagulantien vom Cumarin-Typ wie Warfarin, Phenprocoumon hemmen.

Im Falle einer geplanten gemeinsamen Anwendung von Artischocke zusammen mit Arzneistoffen sollten Nutzen und Risiken gemeinsam mit der behandelnden Ärztin bzw. dem behandelnden Arzt abgewogen werden.

Pflanzenstoffe

Flavonoide 0,3-0,7 %

  • Glykoside von Luteolin und Apigenin, Cynarosid, Scolymosid, Cynarotriolysid

Phenolcarbonsäuren

  • Chlorogen-, Isocholorgen-, Kaffee-, Caffeoyl-, Ferulasäure, Cynarin (= Ester aus Caffeoyl-, China- und Kaffeesäure)

Sesquiterpenlactone

  • Cynaropicrin (Guanjanolid), Dehydrocynaropicrin, Grosheimin, Cynarinine A und B, Cynaratriol, 8-Deoxy-11,13-hydroxygrosheimin

Polysaccharide

  • Inulin, Fructooligosaccharide

Mineralstoffe

  • Kalium, Natrium, Phosphor

Die Zusammensetzung der Pflanzenstoffe kann sich je nach Standort, Klima und Zeitpunkt der Ernte der Arzneidroge sowie dem Auszugsmittel und der Darreichungsform unterscheiden. Ausführlich werden die Pflanzenstoffgruppen unter Pflanzenstoffe A-Z vorgestellt.

Mögliche pharmakologische Wirkungen

  • leberregenerierend
  • hepatoprotektiv
  • cholagog, choleretisch
  • verdauungsfördernd
  • laxativ
  • gewichtsreduzierend
  • spasmolytisch
  • lipidsenkend
  • antidiabetisch
  • antiinflammatorisch
  • antioxidativ
  • antihypertensiv
  • durchblutungsfördernd
  • diuretisch

Quellen

Die von uns bei der Erstellung der Inhalte für diese Webseite verwendeten Fachbücher sind im Literaturverzeichnis einsehbar. Darüber hinaus basieren die Inhalte zu dieser Pflanze auf folgenden Quellen:

> HPMC-Monographie der europäischen Arzneimittelbehörde (EMA)
> Porro C, Benameur T, Cianciulli A et al. Functional and Therapeutic Potential of Cynara scolymus in Health Benefits. Nutrients. 2024 Mar 17;16(6):872.