Weinraute

Wissenschaftlicher Name: Ruta graveolens
Pharmazeutischer Name: Rutae herba
Synonyme: Raute
Familie: Rutaceae (Rautengewächs)

Heimat & Botanik

Die Weinraute ist eine strauchförmige Pflanze, die im Durchschnitt einen halben Meter hoch wird. Sie hat blaugrüne zwei- bis dreifach fiederschnittige Blätter, deren einzelnen schmalen, länglichen, wächsernen Fiederblättchen in ihrer Form an einen abgerundeten Spatel erinnern.

Das Kraut blüht im Sommer mit gelben Blüten mit den löffelähnlichen Kronblättern an einem verzweigten Blütenstand. Sie haben einen hohen Gehalt an Furanocumarinen und sind daher phototoxisch.

Der Name "Raute" geht vermutlich auf das indogermanische Wort für “sauer” zurück, während sich "graveolens" auf den starken aromatischen Geruch bezieht. Er setzt sich aus "gravis" für stark und "olere" für riechen zusammen.

Eigenschaften & Geschmack

Eigenschaften

  • warm
  • trocken

Geschmack

  • leicht bitter
  • aromatisch-scharf

Die Wirkung des Geschmacks wird in den Theoretischen Grundlagen erläutert.

Wirkungen & Indikationen in der chinesischen Medizin

Tropismus: Leber, Shen, Milz, Lunge, Niere

Weinraute bewegt durch Kälte Erstarrtes. Das gilt für Blut ebenso wie für Schleim in den Leitbahnen und Schleim, der die Herzöffnungen blockiert. Bewegend wirken das ätherische Öl, Cumarine und Flavonoide, die gemeinsam für den leicht bitteren und aromatisch-scharfen Geschmack sorgen. Weinraute hat einen starken Bezug zu den Augen, zum Bewegungsapparat, zum Blut und zur Lymphe.

Weinraut enthalt aber auch adstringierend wirkende Gerbstoffe, die gemeinsam mit den Phenolcarbonsäuren das Nieren-Qi festigen und das Yang verankern können, während die Alkaloide Shen aktivierend wirken. 

Wind und Nässe eliminierendes Kraut

Kälte, Wind und Nässe eliminierendes Kraut

  • Schmerzen im Bewegungsapparat, Ischalgien, Lumbalgien, rheumatoide Arthritis

Schleim außerhalb der Lunge behandelndes Kraut

Schleim in den Leitbahnen transformierende Kräuter

  • geschwollene Lymphknoten, Myome, Endometriose, Makuladegeneration, Linsentrübung, Katarakt, Glaskörpertrübung, Furunkel eher blau und ohne sichtbaren Eiter, Artherom, Ganglien, Lipom, dumpfe Kopfschmerzen im ganzen Kopf, euthyrote Struma, Drüsenschwellung, Arteriosklerose

Kraut, das die Herzöffnungen von Schleim befreien

  • Ängste, Alpträume, nervöse Erschöpfung, Depression

Hitze in der Leber behandelndes Kraut

Leber-Yang absenkende Kräuter

  • Kopfschmerzen, Sehstörungen, Konjunktivitis mit kalten Füßen

Blut bewegendes und Stase lösendes Kraut

  • fixierte Schmerzen, Neuralgien, Kopfschmerzen, Amenorrhö, Oligomenorrhö, Myome, Endometriose, Sehschwäche, überanstrengte Augen, Makuladegeneration, Nachtblindheit, Mouches volantes

Adstringierendes Kraut

Nieren-Qi festigende Kräuter bei Polyurie und Enuresis

  • Enuresis

Shen aktivierendes Kraut

  • Brain fog

Schwermetalle und Gifte ausleitendes Kraut

Ausführlich werden die Kategorien unter Kategorien & Rezepturen vorgestellt. Dort werden auch weitere Pflanzen gelistet, die wir der jeweiligen Kategorie zugeordnet haben.

Anwendung

Infus

  • ½ -1 TL pro Tasse Infus - Einzeldosis 0,5 g
  • 15 min. ziehen lassen
  • 2x täglich 1 Tasse
  • Tageshöchstdosis 1 g

Wir setzten Heilpflanzen in der Regel nicht als Einzeldroge, sondern gemeinsam mit anderen Heilpflanzen ein; wie wir sie kombinieren, ist im Abschnitt “Rezepturenlehre” erläutert. Informationen zu den verschiedenen Darreichungsformen sind in der Rubrik "Theoretische Grundlagen" hinterlegt. 

Nebenwirkungen

Teedroge

  • hepatotoxisch
  • nephrotoxisch
  • mutagen

Bei Überdosierung

  • Magen-Darm-Störungen
  • Speichelfluss und Anschwellen der Zunge
  • Ohnmacht und Schwindel
  • Krämpfe
  • Abort

frische Pflanze

  • giftig
  • Haut reizend: verursacht eine Kontaktdermatitis bei Kontakt
  • phototoxisch

Vorsicht

Bisher fehlen Erkenntnisse und Daten zur Sicherheit der Anwendung in der Stillzeit sowie bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren. Die Anwendung wird daher nicht empfohlen.

Kontraindikationen

  • Schwangerschaft (bewegt Blut zu stark!)
  • Hitze-Zustände (Ausnahme aufsteigendes Leber-Yang)
    • rote Zunge
    • Hypertonie
    • Konjunktivitis
    • Glaukom
    • Hypermenorrhö

Mögliche Wechselwirkungen mit Arzneistoffen

Bei gemeinsamer Anwendung der Weinraute mit phototoxischen Arzneistoffen kann die Lichtempfindlichkeit verstärkt werden. Die Betroffenen müssen auf einen guten Sonnenschutz achten. Im Falle einer geplanten gemeinsamen Anwendung von Weinraute zusammen mit Arzneistoffen sollten Nutzen und Risiken gemeinsam mit der behandelnden Ärztin bzw. dem behandelnden Arzt abgewogen werden.

Pflanzenstoffe

ätherische Öle 

  • u. a. Borneol, Campher, Cyclohexen, Isopropylphenolderivate, Limonen, Methylphenolderviate, Naphtalen, Terpinolen

Cumarin

  • > 40 Derivate u. a. Pyrano- und Furanocumarine

Flavonoide

  • Flavone: Acacetin, Chrysin, Isoquercetin, Luteolin, Naringenin, Narcissoside
  • Flavonole: Hyperoside, Isorhamnetin, Quercetin, Rutin

Sterole 

  • Campasterol, Stigmasterol, β-Sitosterol

Phenolcarbonsäuren

  • Kaffee-, Protocatechu-, Syringin, Vanillinsäure

Alkaloide

  • > 40 Derivate darunter Acridone, Furaquinoline, Quinolone u. Quinoline

Gerbstoffe

  • Gallocatechine

Lignane

Die Zusammensetzung der Pflanzenstoffe kann sich je nach Standort, Klima und Zeitpunkt der Ernte der Arzneidroge sowie dem Auszugsmittel und der Darreichungsform unterscheiden. Ausführlich werden die Pflanzenstoffgruppen unter Pflanzenstoffe A-Z vorgestellt.

Mögliche pharmakologische Wirkungen

  • antibakteriell
  • antiviral
  • anthelmintisch
  • antiinflammatorisch
  • antitumoral, antiproliferative
  • antioxidativ
  • fertilitätregulierend, emmenagog
  • neuroprotektiv
  • analgetisch
  • spasmolytisch
  • cholagog, choleretisch
  • zerteilend, auflösend
  • entgiftend

Geschichte & Mythologie

Hippokrates schätze die Weinraute aufgrund ihrer wassertreibenden Wirkung, während Hildegard von Bingen sie als Mittel gegen Wechseljahresbeschwerden nutzte. Im Mittelalter war die Weinraute ein Bestandteil des Essigs der vier Räuber. Diese Mischung nahmen Plünderer während der Pestausbrüche zu sich, wenn sie die Häuser von Verstorbenen aufsuchten. 

Mönche meinten sich mit Unterstützung der Weinraute besser an das Keuschheitsgebot halten zu können. Mancherorts gehörte die Weinraute in den Brautkranz als Zeichen für die Jungfräulichkeit der Braut. 

Man setzte sie früher gegen Wurmerkrankungen und zum Abtreiben ein. Darüber hinaus war sie das Mittel der Wahl bei Schlangenbissen und Pilzvergiftungen. Mit ihrem Geruch versuchte man zudem Schlangen und Ratten fern zu halten.

Quellen