Stinkender Storchenschnabel

Wissenschaftlicher Name: Geranium robertianum
Pharmazeutischer Name: Geranii robertiani herba
Synonyme: Gottesgnadenkraut, Ruprechtskraut, Wanzenkraut
Familie: Geraniaceae (Storchenschnabelgewächse)

Heimat & Botanik

Der stinkende Storchenschnabel ist eine von Eurasien bis Nordafrika verbreitete Pflanze, die sonnige Lagen ebenso schätzt wie schattige, sofern die Böden viel Stickstoff haben. Auch auf Geröll fühlt er sich wohl.

Das stark verzweigte, zweijährige Kraut kann bis zu einem halben Meter hoch werden. Alle seine Pflanzenteile sind behaart. Seine drei- bis fünfteiligen, fiederschnittigen, handförmigen Blätter sind drei bis vier Zentimeter breit und bis zu sieben Zentimeter lang, wobei die Stiele etwa halb so lang sind wie die Blattspreite. Dank beweglicher Gelenke der Stiele kann sich der Storchenschnabel zur Sonne drehen. Dabei färben sich die hellgrünen Laubblätter rötlich, wenn viel Sonnenlicht auf sie fällt.

Doch die Blattgelenke haben noch eine weitere Funktion: An ihnen biegen sich die Blattstiele der unteren Blätter und ein Teil der Seitensprosse nach unten. So dienen sie als Stütze für die Pflanze und geben Halt, wenn das Kraut an Mauern empor wächst.

Von April bis in den Herbst blüht der Storchenschnabel. Er hat kleine, fünfzählige, radiärsymmetrische Blüten mit einer doppelten Blütenhülle. Fünf längliche, eiförmige Kelchblätter umgeben die rosa Kronblätter, die nur ein bis eineinhalb Zentimeter lang sind. Sie bestehen aus einem bis zu sechs Millimeter langem, spitz zulaufenden Nagel am unteren Ende und einer breiten, verkehrt-eiförmigen, abgerundeten oberen Platte. In ihrer Mitte befinden sich die Staubbeutel. Nach der Befruchtung reift eine schnabelförmige Spaltfrucht heran.

Der botanische Name "Geranium" hat einen griechischen Ursprung: "geranion" bzw. "geranos" kann mit "Kranich" übersetzt werden. Damit bezieht sich der botanische Name ebenso wie der deutsche Bezug auf die Gestalt der Frucht des Storchenschnabels, die an einen Vogelkopf erinnert. Als "stinkend" bezeichnet man den Storchenschnabel aufgrund des eigentümlichen Geruchs seines ätherischen Öls. Das Synonym "Ruprechtskraut" und der lateinische Namenszusatz "robertianum" könnten an die Legende erinnern, der zu Folge der heilige Ruprecht, den medizinischen Nutzen der Pflanze verbreitet haben soll. Aber auch das althochdeutsche Wort "rōtpreht" für "rötlich" könnte ein Vorläufer für den Namen sein und die Rotfärbung der Blätter unter dem Einfluss der Sonne beschreiben.

Eigenschaften & Geschmack

Eigenschaften

  • kühl
  • trocken

Geschmack

  • leicht bitter
  • adstringierend
  • leicht süß
  • leicht scharf

Die Wirkung des Geschmacks wird in den Theoretischen Grundlagen erläutert.

Wirkungen & Indikationen in der chinesischen Medizin

Tropismus: Magen, Darm, Haut, Blase

Hitze kühlendes Kraut

Feuer ableitendes Kraut 

  • Ulzeration der Haut, in Mund, Darm, Stomatitis, Gingivitis, Laryngitis, Hyperacidität, Sodbrennen

Nässe trocknendes Kraut

  • Colitis ulzerosa, Morbus Crohn, chronische Entzündungen, Leukorrhö, Vaginitis, Ödeme, Cystitis, Urethritis, Nephritis, Nephrolithiasis, Nierengrieß, Gicht, Konjunktivitis

Blut kühlendes Kraut

  • Nasenbluten, Hämaturie, Magenblutungen, Darmblutungen, chronische Entzündungen mit Blutungen

Toxische Hitze ausleitendes Kraut

  • Mastitis, Eiter, Abszess, Geschwüre, Ulcus cruris, Erysipel, Zustand nach Zeckenbiss, Borreliose (IfSG beachten!)

Schleim außerhalb der Lunge behandelndes Kraut

Schleim in den Leitbahnen transformierendes Kraut

  • Zysten, Lymphödem, Lymphknotenschwellungen, Nephrolithiasis, Nierengrieß, Gicht

Blutungen stillendes Kraut

  • Nasenbluten, Blutungen in Magen, Darm, Uterus, Harnwegen, Hämaturie, Hämorrhoiden, Menorrhagie, Hypermenorrhö

Adstringierendes Kraut

Durchfall stoppendes Kraut

  • Diarrhö, Enteritis, Dysenterie

Schwitzen stoppendes Kraut

  • Schwitzen am Tag und in der Nacht

Ausführlich werden die Kategorien unter Kategorien & Rezepturen vorgestellt. Dort werden auch weitere Pflanzen gelistet, die wir der jeweiligen Kategorie zugeordnet haben.

Anwendung

Infus

  • 1 TL pro Tasse
  • 10 Minuten abgedeckt ziehen lassen
  • 2-3 x täglich eine Tasse

Frischpflanzentinktur

  • 1-3 x täglich 3-5 Tropfen oder Dosierung nach Herstellerangaben

Äußerlich

  • Spülungen mit dem abgekühlten Infus oder einer verdünnten Tinktur
  • Waschungen und Auflagen bei Hauterkrankungen und schlecht heilenden Wunden
    Vorsicht: Die Wunde muss sicher sauber sein, da die Gerbstoffe das Schließen der Wunde beschleunigen können.

Wir setzten Heilpflanzen in der Regel nicht als Einzeldroge, sondern gemeinsam mit anderen Heilpflanzen ein; wie wir sie kombinieren, ist im Abschnitt “Rezepturenlehre” erläutert. Informationen zu den verschiedenen Darreichungsformen sind in der Rubrik "Theoretische Grundlagen" hinterlegt. 

Nebenwirkungen

  • Obstipation bei hoher Dosierung
  • Verdauungsstörungen, Übelkeit und Erbrechen aufgrund des hohen Gehalts an Gerbstoffen 

Vorsicht

Bisher fehlen Erkenntnisse und Daten zur Sicherheit der Anwendung in Schwangerschaft und Stillzeit sowie bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren. 

Kontraindikationen

  • Obstipation
  • bekannte Unverträglichkeit oder Allergie
     

Mögliche Wechselwirkungen mit Arzneistoffen

Durch den hohen Gehalt an Gerbstoffen kann die Resorption von Arzneistoffen verzögert und damit ihre Bioverfügbarkeit verändert werden. Im Falle einer geplanten gemeinsamen Anwendung zusammen mit Arzneistoffen sollten Nutzen und Risiken gemeinsam mit der behandelnden Ärztin bzw. dem behandelnden Arzt abgewogen werden.

Pflanzenstoffe

Gerbstoffe 

5-15 % 

  • Geraniin, Isogeraniin u.a.

Flavonoide

  • Derivate von Rutin, Quercetin und Kämpferol

Phenolsäuren und Phenolcarbonsäuren

  • Fruchtsäuren: Ascorbin-, Apfel-, Zitronensäure
  • Phenolcarbonsäuren: Ellag-, Ferula-, Gallus-, Kaffesäure-, Syringinderivate

Carotinoide

  • Lutein

Vitamine 

  • Vitamin A, B1, B2, B3, C und E

ätherisches Öl

  • u. a. Geraniol, Germacren, Limonen, Linalool, γ-Terpinen

Mineralstoffe

  • Calicum, Eisen, Magnesium, Mangan, Natrium, Zink 

Polysaccharide

  • Pektin, Stärke

Saponine

Ausführlich werden die Pflanzenstoffgruppen unter Pflanzenstoffe A-Z vorgestellt.

Mögliche pharmakologische Wirkungen

  • adstringierend
  • antidiarrhoisch
  • blutstillend
  • antimikrobiell
  • wundheilungsfördernd
  • antiinflammatorisch
  • antioxidativ
  • antidepressiv
  • immunmodulierend
  • antiallergisch
  • ulkusprotektiv
  • antidiabetisch
  • hepatoprotektiv
  • neuroprotektiv
  • tumorprotektiv

Geschichte & Mythologie

Der stinkende Storchenschnabel wird seit der Antike unter den Römer und dem Mittelalter medizinisch genutzt. Die Pflanze war Hildegard von Bingen ebenso bekannt wie Paracelsus. Mit Beginn der Neuzeit nahm das Spektrum der Anwendungen immer weiter zu. 

Quellen