Baldrian

Wissenschaftlicher Name: Valeriana officinalis
Pharmazeutischer Name: Valerianae radix
Synonyme: Augenwurz, Katzenwurzel, Balderbrackenwurzel, Valerian root, Racine de valeriane
Familie: Valerianceae (Baldriangewächse)

Heimat & Botanik

Der in Europa beheimatete Baldrian ist eine bis zu zwei Meter hohe Pflanze, die dank eines kräftigen Rhizoms sehr ausdauernd ist. An einem gerippten, hohlen, kahlen Stängel  wachsen gegenständig die paarig oder unpaarig gefiederten Laubblätter. Die bis zu dreiundzwanzig am Rand glatten oder gesägten Blattfiedern sind lanzett- bis eiförmig. Die Blätter stehen im unteren Abschnitt dichter als im höheren Bereich des Stängels, den sie häufig umfassen. Dabei sind die unteren Blätter größer als die oberen.

Von Mai bis September ragt ein dünner, langer Stängel empor, der den endständigen Blütenstand trägt. Die radiärsymmetrischen weißen bis rosafarbenen, süßlich riechenden Blüten sitzen an schirmförmigen Rispen. Sie haben einen Durchmesser von etwa fünf Millimetern. Ihr Kelch ist eingerollt und die fünf Kronblätter sind trichterförmig miteinander verwachsen. Die kleinen Nüsschen bilden einen Pappus.

Der botanische Name "Valeriana" stammt aus dem Lateinischen Wort und bedeutet "gesund". Der Zusatz "officinalis" erinnert daran, dass die alte Arzneipflanze im Verkaufsraum der Apotheke, in der "Offizin", schon früher gebräuchlich war. 

Eigenschaften & Geschmack

Eigenschaften

  • neutral - warm

Geschmack

  • süß
  • aromatisch
  • etwas bitter

Wirkrichtung

  • absenkend

Die Wirkung des Geschmacks wird in den Theoretischen Grundlagen erläutert.

Wirkungen & Indikationen in der chinesischen Medizin

Tropismus: Leber mit Augen und Uterus, Herz, Magen, Niere

Tonikum

Blut-Tonikum 

  • nährt die Augen: unscharfes Sehen, Mouches volantes
  • Amenorrhö, Schwindel, Muskelschwäche, Wundheilungsstörungen, Knochenbrüche, Einschlafstörungen

Shen beruhigendes Kraut

Den Geist beruhigendes und nach oben schießendes Qi nach unten führendes Kraut

  • Unruhe, Schlafstörungen, Prüfungsangst, Enuresis nocturna, Reizblase    

Beruhigendes und Herz-Blut nährendes Kraut

  • Palpitationen, Unruhe, Schlafstörungen, Prüfungsangst, Schreckhaftigkeit   

Shen aktivierendes Kraut

  • Konzentrationsstörungen, Gedächtnisstörungen, fördert die Präsenz

Hitze in der Leber behandelndes Kraut

Leber-Wind beruhigendes Kraut

  • Tics, ziehende Kopfschmerzen im ganzen Kopf, Migräne mit abweichender, zittriger Zunge und saitenförmigem Puls, Epilepsie, Konvulsionen, Muskelkrämpfe (Muskel relaxierend)

Leber-Yang absenkendes Kraut

  • hämmernde Kopfschmerzen hinter den Augen, an den Schläfen, am Scheitel oder im Verlauf des Leber- oder Gallenblasenmeridians, Hypertonie

Qi bewegendes Kraut

Leber-Qi bewegendes Kraut

  • Dysmenorrhö, Muskelkrämpfe, Magen-Darm-Koliken, Gastritis, Reizdarm

Ausführlich werden die Kategorien unter Kategorien & Rezepturen vorgestellt. Dort werden auch weitere Pflanzen gelistet, die wir der jeweiligen Kategorie zugeordnet haben.

Anwendung

Infus

  • 0,3 - 3 g pro Tasse (1 TL = ca. 2,5 g)
  • abgedeckt 15-20 Minuten ziehen lassen
  • 3 x täglich 1 Tasse
  • Tagesdosis: 1 - 9 g

Pulver

  • Tagesdosis 0,3 - 2 g

Pflanzenpressaft

  • 3 x täglich 10 ml mit etwas Wasser

Extrakt

Trockenextrakt

  • je nach Auszugsverfahren bis zu 600 mg
  • Dosierung nach Herstellerangaben

Fluidextrakt

  • je nach Auszugsverfahren bis zu 3 x täglich 20 ml
  • Dosierung nach Herstellerangaben

Tinktur

Frischpflanzentinktur

  • 1 - 3 x täglich 3 - 5 Tropfen in etwas Wasser

1:5 bis 1:10 Tinkturen

  • Dosierung nach Herstellerangaben

Wir setzten Heilpflanzen in der Regel nicht als Einzeldroge, sondern gemeinsam mit anderen Heilpflanzen ein; wie wir sie kombinieren, ist im Abschnitt “Rezepturenlehre” erläutert. Informationen zu den verschiedenen Darreichungsformen sind in der Rubrik "Theoretische Grundlagen" hinterlegt. 

Nebenwirkungen

  • Unverträglichkeitsreaktionen
  • Beschwerden im Magen-Darm-Trakt
  • Baldrian kann die Fähigkeit zur Teilnahme am Straßenverkehr und zum Bedienen von Maschinen beeinträchtigen. Die Betroffenen sollten kein Fahrzeug steuern und auf das Bedienen von Maschinen verzichten.

Vorsicht

Bisher fehlen Erkenntnisse und Daten zur Sicherheit der Anwendung in Schwangerschaft und Stillzeit sowie bei Kindern und Jugendlichen unter 12 Jahren. 

Kontraindikationen

  • Überempfindlichkeit

Mögliche Wechselwirkungen mit Arzneistoffen

Im Falle einer geplanten gemeinsamen Anwendung zusammen mit Arzneistoffen sollten Nutzen und Risiken gemeinsam mit der behandelnden Ärztin bzw. dem behandelnden Arzt abgewogen werden.

Pflanzenstoffe

Ätherisches Öl

  • Monoterpene: Borneol, Bornylacetat
  • Sesquiterpene: ß-Caryophyllen, Valeranal, Valeranon, Valerensäure, Isovalerensäure 

Iridoide  

  • Valepotriate: Acevaltrate, Didrovaltrate, Isovaltrate, Valtrate

freie Aminosäuren

  • z. B. Arginin, Alanin, Glutamin, Gammaaminobuttersäure

Flavonoide

  • u. a. Apigenin, Hesperidin, Linarin und ihre Derivate

Phenolcarbonsäuren

Lignane

Mono- und Polysaccharide

  • Glukose, Saccharose, Raffinose, Fructose, Stärke

Ausführlich werden die Pflanzenstoffgruppen unter Pflanzenstoffe A-Z vorgestellt.

Mögliche pharmakologische Wirkungen

  • sedierend
    • schlaffördernd
    • verkürzt die Einschlafzeit und verbessert die Schlafqualität
  • anxiolytisch
  • entspannend
  • serotonerg
  • dopaminerg
  • konzentrationsfördernd
  • spasmolytisch
  • muskelrelaxierend
  • ulkusprotektiv

Geschichte & Mythologie

In der nordischen Mythologie ist Baldrian (oder Baldur) eine sehr bekannte Figur. Der „Lichtgott“ oder der barmherzige Baldur ist der Sohn von Odin und Frigg (Freia). Von Ihm geht heller Glanz aus. Die zarten Blühten schweben über der Erde ganz luftig. Er steht für Gerechtigkeit und Schönheit und ist bekannt für seine Freundlichkeit und Güte unter den Göttern. Er strahlt Harmonie und Ruhe auf die Menschen aus. Es gibt Erzählungen, die besagen, dass Baldur sehr beschützt wurde und dadurch nahezu unverwundbar schien. Da der Tod zum Leben gehört, war auch Baldur verwundbar. Loki der Gott des Unfugs brachte dem blinden Gott Hödr einen Mistelzweig, der als harmlos galt. Daraus wurde ein Pfeil geschnitzt der Baldur tötete. Der Tod Baldurs führte in der Götterwelt zu großer Trauer. In der Astrologie verbindet man Baldrian mit dem Mond und der Venus, da diese Himmelskörper mit Schönheit, Liebe, Emotionen und Ruhe verbunden werden.

Quellen

Die von uns bei der Erstellung der Inhalte für diese Webseite verwendeten Fachbücher sind im Literaturverzeichnis einsehbar. Darüber hinaus basieren die Inhalte zu dieser Pflanze auf folgenden Quellen:
> HPMC-Monographie der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA)
> Shinjyo N, Waddell G, Green J. Valerian Root in Treating Sleep Problems and Associated Disorders—A Systematic Review and Meta-Analysis. J Evid Based Integr Med. 2020 Oct 21;25:2515690X20967323.