Wissenschaftlicher Name: Angelica officinialis, Angelica archangelica
Pharmazeutischer Name: Angelicae radix
Synonyme: Angstwurz, Brustwurz, Giftwurz, Heiligenbitter
Familie: Apiaceae (Doldenblütler)
Die Engelwurz ist vor allem in Nord- und Osteuropa verbreitet und soll mit den Wikingern nach Mitteleuropa gelangt sein. Sie bevorzugt feuchte Böden. Es handelt sich um eine bis zu zwei Meter hohe Staude. Die Pflanze setzt ihre Kraft in den ersten Jahren in die Ausbildung ihrer kräftigen Pfahlwurzel. Diese hat eine rötlich-braune bis schwarze Rinde, ein Hinweis auf die ausgeprägte Verbundenheit der Pflanze zur Erde. Die zwei- bis dreifach gefiederten Blätter sind bis zu 60 cm lang. Ihre eiförmigen Fiederblätter sind bis zu 8 cm lang und am Rand stark gezähnt.
Erst nach zwei bis vier Jahren bilden sich die kräftigen, gerillten, hohlen Blütenstängel, die sich im oberen Abschnitt verzweigen. Sie erinnern an eine aufrechte Wirbelsäule und tragen an ihrem oberen Ende die Blütendolden wie die Wirbelsäule den Kopf. Diese Doppeldolden mit ihren zwanzig bis vierzig Strahlen und grünlich-weißen Einzelblüten sind halbkugelig geformt. Sie ragen weit über die Laubblätter hinaus und locken mit ihrem Duft zahlreiche Insekten an. Während die Dolden dem Himmel entgegen streben, gräbt sich die Wurzel in die Tiefe. So richtet sich die Engelwurz zwischen Himmel und Erde aus.
Der deutsche und der lateinische Name der Engelwurz "Angelica archangelica" erinnern daran, dass der Erzengel Rafael einem Mythos zu Folge einen Einsiedler auf die heilsame Wirkung der Pflanze hingewiesen haben soll. In Norwegen, Island und auf den Färoer Inseln isst man Stängel und Wurzeln der Engelwurz als Gemüse und im Salat.
Die Wirkung des Geschmacks wird in den Theoretischen Grundlagen erläutert.
Tropismus: Milz, Magen, Lunge, Herz mit Shen
Wurzeln versorgen die Pflanze mit Wasser und Nährstoffen aus der Erde. Deshalb enthalten sie oftmals viele nährende Pflanzenstoffe. Dies gilt mit Polysacchariden und Fetten auch für die Engelwurz, die zudem für den süßen Geschmack der Wurzel sorgen. Sie wärmt aufgrund ihres aromatisch-scharfen Geschmacks und ist sowohl ein Qi- als auch ein Yang-Tonikum, wobei sie diesbezüglich vor allem Bezug zu Milz und Magen sowie zur Lunge hat. In der Literatur wird die Engelwurz auch als Blut-Tonikum beschrieben. Diesbezüglich ist ihr ihre chinesische Verwandte, die Angelica sinensis, überlegen. Indem sie das Milz-Qi tonisiert, unterstützt sie jedoch indirekt die Blut aufbauenden Fähigkeiten der Milz. Über ihren Gehalt an Flavonoiden und ätherischen Ölen sowie ihren aromatisch-scharfen Geschmack kann die Engelwurz zudem den Qi-Fluss in der Mitte regulieren. Dabei wärmt sie das Innere und aktiviert Shen. Phenolcarbonsäuren sorgen für trocknende Eigenschaften in der Mitte.
Der Bezug der Engelwurz zur Erde zeigt sich bereits am Erscheinungsbidl der Pflanze. Sie bildet eine kräftige Pfahlwurzel, die die Pflanze fest im Boden verankert. Ihre langen Blätter nehmen viel Raum ein und nehmen auf diese Weise Kontakt zur direkten Umgebung auf. Analog sind es Qualitäten der Wandlungsphase Erde sich um das soziale Umfeld zu kümmern. Charakteristisch ist zudem der stabile Stängel, der die Blüten trägt wie die Wirbelsäule den Kopf des Menschen. Diese Blüten befinden sich weit oberhalb der Blattebene und streben dem Himmel entgegen. Die Engelwurz verbindet somit Himmel bzw. Yang und Erde bzw. Yin, in deren Mitte sich der Mensch befindet. Sie hilft nicht nur die Nahrung zu verdauen, sondern auch die Eindrücke, die tagtäglich auf uns einströmen. Dabei stärkt sie das Rückgrat, so dass man den Herausforderungen des Alltags aufrecht begegnen und Selbstzweifel überwinden kann. Diese Wirkung auf den Bewegungsapparat zeigt sich zudem darin, dass die Engelwurz Wind, Kälte und Nässe eliminiert.
Der Magen wird durch Engelwurz darin unterstützt zu unterscheiden, was ihm schmeckt und was nicht; er trennt das Klare nicht nur im Bezug auf die Nahrung vom Trüben, sondern auch im Bezug auf die Eindrücke. Während das Trübe und Unbrauchbare er mit Unterstützung der Engelwurz effektiv abgesenkt wird, gelangt das Klare zur Milz, die es in nährendes Yingqi umwandelt und dieses dem gesamten Organismus zur Verfügung stellt. Dabei wird sie durch die Lunge unterstützt, die das Yingqi anhebt und über den ihr eigenen Baldachin abregnen lässt. All diese Organe werden durch die Engelwurz gestärkt.
Auch die Integration der Erfahrungen und Erlebnisse durch die Milz wird durch die Engelwurz unterstützt. Nomen ist beim Angstwurz, wie die Engelwurz auch genannt wird, omen. Mit Imperatorin hat man mittlerweile einen Pflanzenstoff gefunden, der mit ihrer überlieferten angstlösenden und möglicherweise zusätzlich stimmungsaufhellenden Wirkung in Zusammenhang gebracht wird. Es regt die Ausschüttung der Gamma-Aminobuttersäure an. Gerade bei Verdauungsstörungen ausgelöst durch Ängste, ist Engelwurz eine gute Wahl. Darüber hinaus nennt man die Engelwurz auch Brustwurz, was sich in ihren Schleim eliminierenden Fähigkeiten manifestiert. Doch ist die Engelwurz keine Pflanze für akute Prozesse, sondern eher eine Wurzel, die bei chronischem kalten Schleim zum Einsatz kommen kann.
Leber-Qi bewegendes und das Innere erwärmendes Kraut
Wind, Kälte und Nässe eliminierendes Kraut
Kalten Schleim transformierendes und ausleitendes Kraut
Schleim in der Leitbahnen transformierendes Kraut
Mitte regulierendes Kraut
Ausführlich werden die Kategorien unter Kategorien & Rezepturen vorgestellt. Dort werden auch weitere Pflanzen gelistet, die wir der jeweiligen Kategorie zugeordnet haben.
Wir setzten Heilpflanzen in der Regel nicht als Einzeldroge, sondern gemeinsam mit anderen Heilpflanzen ein; wie wir sie kombinieren, ist im Abschnitt “Rezepturenlehre” erläutert. Informationen zu den verschiedenen Darreichungsformen sind in der Rubrik "Theoretische Grundlagen" hinterlegt.
Bisher fehlen Erkenntnisse und Daten zur Sicherheit der Anwendung in Schwangerschaft und Stillzeit sowie bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren.
Kontraindikationen aus der Perspektive der chinesischen Medizin können die bekannten Kontraindikationen ergänzen:
Eine erhöhte Phototoxizität bei gemeinsamer Anwendung mit Arzneistoffen, die die Lichtempfindlichkeit erhöhen (z. B. Tetracycline, Fluorchinolone, Natriumaurothiomalat, Voriconazol) ist möglich. Es wird dringend empfohlen einen guten Sonnenschutz zu verwenden.
Im Falle einer geplanten gemeinsamen Anwendung zusammen mit Arzneistoffen sollten Nutzen und Risiken gemeinsam mit der behandelnden Heilpraktikerin, Ärztin bzw. dem behandelnden Arzt oder Heilpraktiker abgewogen werden.
Die Zusammensetzung der Pflanzenstoffe kann sich je nach Standort, Klima und Zeitpunkt der Ernte der Arzneidroge sowie dem Auszugsmittel und der Darreichungsform unterscheiden. Ausführlich werden die Pflanzenstoffgruppen unter Pflanzenstoffe A-Z vorgestellt.
Der Erzengel Rafael soll einen Einsiedler einst auf die heilsame Wirkung dieser Pflanze hingewiesen haben.
Die von uns bei der Erstellung der Inhalte für diese Webseite verwendeten Fachbücher sind im Literaturverzeichnis einsehbar. Darüber hinaus basieren die Inhalte zu dieser Pflanze auf folgenden Quellen:
> Kaur A, Bhatti R. Understanding the phytochemistry and molecular insights to the pharmacology of Angelica archangelica L. (garden angelica) and its bioactive components. Phytother Res. 2021 Nov;35(11):5961-5979.
> Lunz K.m Stappen I. Back to the Roots—An Overview of the Chemical Composition and Bioactivity of Selected Root-Essential Oils. Molecules. 2021 May 25;26(11):3155. doi: 10.3390/molecules26113155